Ausgewählte Texte aus dem Repertoire

Das Gesellenstück
(Joachim Ringelnatz)

Mahagoni auf Eiche furniert.
Deckel sauber scharniert.
Alle Bretter gefedert, gespundet.
Die Ecken fein weich gerundet.
Die Seitenwände mit tiefgeschnitzen
Weintrauben und Schellfischen geziert.

Das war bei Weber in Osnabrück
Mein Gesellenstück.

Selbst Wasmann und Peter sagten 1910:
Solch einen Sarg hätten sie noch nie gesehen.
Ohne mich rühmen. Das soll einer machen.
Und dabei alles selber gemacht.
Die Griffe kupfergeschmiedete Drachen.
Die Füße gedrechselt (((Acht, sacht, Pracht, lacht, gedacht))),
Auf den Deckel in Rundschrift fein säuberlich
Eingebrannt: "Sarg für Frau (Doppelpunkt Strich)".
Inwendig ein roßhaargepolstertes Bett,
Rosa Pünktchen auf Gelb-Violett.
Ich habe manchmal des Studiums wegen
24 Stunden darin gelegen.
Da war ein durch schöne Bilder verdecktes
Speiseregal zur linken Hand,
Wo Camembert, Zwieback und Butter stand
Und Trockengemüse und Eingewecktes. -

Auf den leisesten Druck mit der Zehe im Schlaf
Löste sich zu Fußende ein Kinematograph
Und zeigte abwechselnd "Brudermord"
Und "Torpedoangriff an Steuerbord".
Alle zwei Stunden von selbst automatisch
Spielte ein Grammophon ganz zart:
"Ich bin der Doktor Eisenbarth."

Außerdem roch es dort sehr sympathisch
Nach Moschus, Kampfer und kalter Küche.
Von wegen die Leichengerüche.

Und dann die Technik und das Komfort:
Kalender, das Telefon rechts am Ohr,
Glühbirnen und Klingeln. Ein tolles Gewirr.
Auch ein kleines versilbertes Nachtgeschirr. -
Und Wasserstandglas und Thermometer.
Kurz herrlich! herrlich! - Wasmann und Peter
Hätten mir glattweg fünftausend Mark
Und doppelt soviel gezahlt für den Sarg.
Und das war damals ein Geld, wenn man's denkt.

Aber ich hänge nicht so am Golde. -
Und so hab ich ihn dann meiner Tante Isolde
Zum 70. Geburtstag geschenkt.



Das Rosen-Innere
(Rainer Maria Rilke)

Wo ist zu diesem Innen
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen ?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über von Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.



Klimmzug
(Joachim Ringelnatz)

Das ist ein Symbol für das Leben.
Immer aufwärts, himmelanstreben!
Feste zieh! Nicht nachgeben!
Stelle dir vor: Dort oben winken
Schnäpse und Schinken.
Trachte sie zu erreichen, die Schnäpse.
Spanne die Muskeln, die Bizepse.
Achte ver die Beschwerden.
Nicht einschlafen. Nicht müde werden!
Du musst in Gedanken wähnen:
Du hörtest unter Dir einen Schlund gähnen.
In dem Schlund sind Igel und Wölfe versammelt.
Die freuen sich auf den Menschen, der oben bammelt.
Zu! Zu! Tu nicht überlegen.
Immer weiter, herrliche Zielen entgegen.
Sollte dich ein Floh am Po kneifen,
Nicht mit beiden Händen zugleich danach greifen.
Nicht so ruckweis hin und her schlenkern;
Das passt nicht für ein Volk von Turnern und Denkern.
Klimme wacker,
Alter Knacker!
Klimme, klimb
Zum Olymp!
Höher hinauf!
Glückauf!
Kragen total durchweicht.
Äh - äh - äh - endlich erreicht.
Das Unbeschreibliche zieht uns hinan,
Der ewigweibliche Turnvater Jahn.



Nachthimmel und Sternenfall
(Rainer Maria Rilke)

Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung,
ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt.
Und wir, zu ferne für die Angestaltung,
zu nahe für die Abkehr hingestellt.

Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn,
bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen:
Was ist begonnen, und was ist verflossen?
Was ist verschuldet? Und was ist verziehn?



Cell Phone
(Michael Sorg)

Ich kaufte meinem Mann ein Handy zum Geburtstag
So was braucht man heut in jedem Ehebund
Er kann mich von seiner Arbeit stets erreichen
Und mir seine Liebe schwör'n zu jeder Stund'

Ob er sich verspätet oder früher kommt heut
Fragen ob es etwas gibt was ich noch brauch
Wie der Händler mir bestätigt, es ist zwingend
Zum Erfolg da braucht man so ein Handy auch.

Er sagt im Beruf da ist es unerlässlich
Sonst verpasst Du was und bist dann arbeitslos
Der moderne Mensch kann ohne es nicht leben!
Der Nutzen eines Handys ist unendlich groß.

Ich glaub ich brauche hier nicht auch noch zu erwähnen
Wie dies Handy meinen Mann jetzt täglich freut
Und obwohl die Rechnung meistens ziemlich ho

Es gibt nur eine kleine Sache die mich ärgert
Wenn ich mit ihm in unserm neuen Auto fahr
Und er hat seit Stunden wieder nichts gesprochen
Na ja so sind die Männer eben, nicht wahr?

Doch dann hör ich den Klang seiner Stimme
Und die singt für mich wie'n süßer Engelschor
Wer versteht da nicht meine Enttäuschung:
Ich seh' er hat das blöde Scheißding am Ohr.

Ach, mich fiel vor kurzem auch einmal die Wut an
Als wir essen waren ganz chic wie's sich gehört
Da fühlte ich mich wie der allerletzte Truthahn
Als das Handy piepste, das alles zerstört.

Tja, ich nahm das Ding, zerstückelt' es in Scherben
Meinen Mann zurückzuholen war der Plan
Doch der lachte wie der Teufel auf'm Blocksberg
Als er merkte, was ich getan.

Er sagt das Telefon war sowieso ein schlechtes
Und er wollte längst schon eins das noch mehr kann
Ich entschied in der Sekunde so jetzt reicht es
Ein Handy für mich selbst besorgte ich sodann

Ich fand ein kleines schönes Ding für kein Vermögen
Und einen Herrn dazu der ruft mich täglich an
Eine Frau muss eben einfach mit der Zeit geh'n
Das Leben ist ein Spiel und jetzt bin ich mal dran.

Nun jetzt geht mein Mann mit mir ins Bett viel öfter
Denn mein Kichern und mein Flüstern macht ihn an
Er löscht dabei sehr gern das Licht,
Darum merkt er es wohl nicht
Ich hab wen am Handy dran.


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